Introflect-App: Selbstklärung für die Hosentasche
In vielen Seminaren und Übungsgruppen habe ich bereits auf diese kleine und zugleich äußerst wertvolle Unterstützung hingewiesen, die ich immer wieder durch diese App erfahre. (Hier gehts zur Introflect-Homepage)
Je tiefer ich in das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation eingetaucht bin, desto mehr habe ich verstanden, dass es eigentlich nicht um die Technik, die formale GFK geht, sondern darum innerlich in eine Haltung der Verbundenheit und Gewaltfreiheit zu kommen. Nach einer kurzen Phase der Geringschätzung von Technik und formalen Aspekten, bin ich nun an einem Ort, wo ich die Kostbarkeit der Struktur, die Marshall dem Konzept zugrunde gelegt hat sehr wertschätze.
Die Aufgliederung einer Situation in die vier Komponenten Beobachtung, Gefühl, Bedürfnisse und Bitte hat mich schon so oft dabei unterstützt, mehr Klarheit zu gewinnen darüber, was mir in dem Moment wichtig ist. Allein bei der Formulierung der Beobachtung und der Identifikation des Auslösers habe ich oft den Eindruck, dass durch das ‚Abschälen‘ meiner Urteile und Interpretationen eine angespannte Situation, ein ‚falsches‘ Gegenüber, eine ‚Untat‘ die von mir hineingelegte Falschheit verliert. Danach kann ich schon ruhiger weitergehen und Klarheit darüber erlangen, was ich gerade fühle – und bin damit schon auf der Spur dessen, was mir wichtig ist in dem Moment, meinen Bedürfnissen. Die Gefühle zeigen hin zu den Bedürfnissen. Sobald ich diese klar habe, weiß ich schon wieder mehr darüber u d habe präsent, was ich mir in diesem Moment wünsche (bin also weit entfernt von einem „was die andere Person falsch macht“). Aus diesem Wissen heraus kann ich viel leichter eine Bitte formulieren – an mich selbst oder an mein gegenüber. Aus meiner Ohnmacht („Die Welt und mein Gegenüber ist so daneben/unfair/schlecht“ – in diesem Bild habe ich keine Gestaltungskraft, da die anderen mein Glück oder Unglück verantworten) bewege ich mich durch diesen Selbstklärungsprozess hinaus und in eine gestalterische Energie hinein („Ich habe klar, was mich unzufrieden macht – dadurch komme ich zu dem, was ich mir mehr wünsche – und schon kann ich in die Kreativität gehen, welche Strategien mich genau dort hinbringen könnten).
Soweit die Kurzfassung des inneren Prozesses. Häufig habe ich in der analogen Welt ein Blatt Papier zur Hand genommen, um genau diesen Prozess mit einer aktuellen Situation, die mich beschäftigte, durch zu gehen – das in Worte fassen und aufschreiben, finde ich persönlich sehr unterstützend, da sonst viel mehr unklar in meinem Kopf herumwabert. Das Schreiben zwingt mich dazu, mich zu entscheiden – was ich wiederum in der Regel als einen Zuwachs an Klarheit erlebe.
Und nun zur App: dieser Prozess ist mir sehr kostbar, nur habe ich nicht immer einen Stift zur Hand oder ein Blatt Papier in der Tasche. Ein Objekt, das mich fast rund um die Uhr begleitet ist mein Smartphone. Dementsprechend freue ich mich darüber, dass das Team hinter Introflect den oben geschilderten Ablauf in eine App goss. Dabei wird auch noch Licht auf die mit den Beobachtungen verbundenen Gedanken geworfen – also eine Bewusstmachung und Klärung, dass es äußere Fakten gibt, die aber etwas anderes sind als meine Urteile, Bewertungen und Interpretationen. Zugleich können meine Gedanken immer auch guter Ausgangspunkt sein, um meine Gefühle und Bedürfnisse zur erkunden.
Die App führt die Benutzer*innen Schritt für Schritt durch den Selbstklärungsprozess, erklärt jeden Schritt noch einmal kurz und fasst zusammen, was in der jeweiligen Hinsicht unterstützen kann zu innerer Verbindung zu gelangen. Bei den Gefühlen werden vier basale Gefühle in unterschiedlichen Intensitätsstufen angeboten – ich finde es interessant, wie oft ich damit gut zurecht kam, gleichzeitig hätte ich mir schon mehrfach mehr Auswahl bzw. die Möglichkeit gewünscht ein individuelles Gefühl selbst zu nennen.
Bisher habe ich alle Apps zur GFK, auf die ich gestoßen bin, getestet. Introflect ist diejenige, welche ich am meisten nutze. Mir gefällt, dass sie sich auf das Wesentliche konzentriert, ich mag die optische Gestaltung, es macht mir Spaß mich durch die Selbstklärung zu bewegen und ich fühle mich unterstütz durch die Angebote von Gefühlen und Bedürfnissen.
Was ich bedauere: dass immer wieder alle Prozesse, die ich gespeichert habe verschwinden – eine Exportfunktion wäre cool. Das trübt aber nicht meine Freude an der App.
Worüber ich mich freuen würde: Wenn man seine Selbstklärung abschließt, werden verschiedene Möglichkeiten angeboten, wie in eine weitere Klärung übergegangen werden kann. Zum Beispiel die Formulierung einer Bitte oder dem Ausdrücken von Dankbarkeit. Bis auf die Option eine Bitte zu formulieren, sind alle Felder leider noch Baustellen – wenn das eines Tages noch erweitert würde, freue ich mich.. ☺️
Zum Schluss noch eine kurze Anekdote aus dem „Backstage-Bereich“: Als ich vor kurzem bereits einen Anlauf unternahm, einen Erfahrungsbericht darüber zu schreiben, funktionierte sie plötzlich nicht mehr. Es war mir so wichtig, dass ich Kontakt mit dem Entwickler*innen-Team aufnahm, die mir gleich sehr freundlich antworteten. Es hat kaum eine Woche gedauert, da haben sie die App geupdatet und wieder in den App-Store gestellt und mir geschrieben – juhu, da war sie wieder.. ☺️✅ seitdem ist meine Freude beim Benutzen noch größer und ich feiere die Menschen, die hinter der App stehen und sie am Laufen halten.